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Alkoholsucht Krankheit? Was passiert im Gehirn?

Alkoholsucht Krankheit – kann man das sagen? Von einer Krankheit spricht man, wenn etwas im Organismus aus den Fugen geraten ist und dein Wohlbefinden beeinträchtigt. Das Gehirn ist Teil deines Organismus. Man könnte also von einer „Alkoholsucht Krankheit“ sprechen, wenn Prozesse im Gehirn nicht mehr so ablaufen, wie sie sollten und deine Lebensqualität deswegen beeinträchtigt ist. Schauen wir uns also einmal an, was genau im Gehirn passiert.

Hier möchte ich dir möglichst schnell und verständlich beschreiben, welchen Effekt Alkohol eigentlich in deinem Gehirn hat.

  • Was geschieht eigentlich in deinem Gehirn?
  • Und wieso wirst du süchtig und willst immer mehr Alkohol?
  • Und ob man von Alkoholsucht als Krankheit sprechen kann?

Im Gehirn gibt es sehr viele Gehirnzellen, das ist allgemein bekannt. Und diese sind miteinander verbunden. Nervenzellen sind dazwischen und sorgen dafür, dass bestimmte Informationen weitergeleitet werden. Alkohol besteht auch aus winzig kleinen Teilchen, den sogenannten Molekülen.

Innerhalb von zwei Minuten gelangt Alkohol durch das Blut ins Gehirn und beginnt langsam seine Wirkung zu entfalten. Die Moleküle setzen sich jetzt zwischen den Gehirnzellen an den Nervenzellen fest und beeinflussen, welche Informationen weitergeleitet werden und auf welche Art sie weitergeleitet werden.

Manche Prozesse werden gestoppt, andere werden viel stärker angeregt. Das Stoppen ist allerdings viel stärker ausgeprägt. D.h., der Alkohol signalisiert den Gehirnzellen „Jetzt macht mal langsam, immer mit der Ruhe.“

Ein vom Alkohol gebremstes „GABA“ und „Glutamat“ – System sorgt dafür, dass deine Bewegungen nach und nach langsamer und torkeliger werden. Es führt auch dazu, dass du nicht mehr so gut siehst und sich dein Gesichtsfeld einengt. Du reagierst viel langsamer (deswegen kannst du dann auch kein Auto mehr fahren). Auch deine Atmung und dein Herzschlag verlangsamen sich (wenn du genug trinkst, kommt es irgendwann zum Atemstillstand und zum Tod). Du denkst immer langsamer und Informationen werden irgendwann auch einfach gar nicht mehr abgespeichert, so dass du dich dann am nächsten Tag an gar nichts mehr erinnerst (sog. „Blackout“).

Dies beantwortet aber natürlich noch nicht, ob Alkoholsucht Krankheit ist. Schauen wir mal weiter.

Andererseits wirken die Alkoholmoleküle in einigen Bereichen so, dass das Gehirn richtig aktiv wird: Du wirst gesprächiger und weniger schüchtern (deswegen trinken viele Menschen auch Alkohol), du empfindest Glücksgefühle, indem der Alkohol dem Gehirn signalisiert: Komm, jetzt produziere mal richtig viel Dopamin, Serotonin und Endorphin. Diese Substanzen werden auch „Glückshormone“ genannt, die das Gehirn dann ausschüttet. Ohne Alkohol schüttet das Gehirn diese Stoffe immer dann aus, wenn wir uns richtig gut fühlen, wenn wir uns verlieben, wenn wir etwas sehr Leckeres essen, wenn wir Sport treiben (und uns dabei gut fühlen), wenn wir uns belohnen und in anderen positiven, glücklichen Momenten.

Merkst du schon, wie man den Alkohol zumindest teilweise ersetzen kann und dafür sorgen kann, dass das Gehirn das Gleiche tut, was es sonst nur mit Alkohol tut?

Die negative Kehrseite ist hier allerdings auch, dass wir so dermaßen aktiviert werden, dass wir zum Teil „Unsinn“ reden, aus der Rolle fallen und Dinge sagen, die wir hinterher sehr bereuen. Wir werden auch aggressiver und enthemmter. Die beiden Wirkungsmechanismen zusammen bedeuten dann, dass wir Informationen falsch verarbeiten, d.h. die falschen Schlüsse ziehen und schneller wütend werden, vor allem, wenn starke Gefühle im Spiel sind, z.B. Neid, Eifersucht, Frust.

IST ALKOHOLSUCHT KRANKHEIT?

Schlecht für uns ist, dass wir uns an diese negativen Dinge gar nicht mehr so gut erinnern können. Sie passieren meist erst später, wenn wir sowieso nicht mehr so gut die Informationen speichern. Das heißt, wenn Dinge gar nicht mehr richtig im Gedächtnis abgespeichert werden, also nach dem x.ten Bier, wenn der Promillepegel schon recht hoch ist.

Die positiven Effekte hingegen bekommen wir noch komplett mit, an die erinnern wir uns noch, die wollen wir dann auch beim nächsten Mal wieder neu erleben. Alkohol = positiv, das bleibt in Erinnerung, denn das Gehirn ist bei uns Menschen (und auch bei den meisten Tieren) so angelegt, dass positive Dinge immer wiederholt werden sollten.

Nun stelle dir mal vor, dass sich das Gehirn so richtig an den höheren Glückshormone-Ausstoß und an die Verlangsamung von anderen Aktivitäten im Gehirn gewöhnt. Dies führt dann nämlich dazu, dass Alkoholsucht zur Krankheit wird. So wie du dich auch an schnelleres und längeres Laufen gewöhnst, wenn du jeden Tag joggen gehst, nur dass dies natürlich gut für den Körper ist.

Am Anfang sind 3 km Joggen vielleicht noch schweißtreibend, irgendwann machst du das selbst nachts um halb Vier ohne Schwierigkeiten. Oder so wie du, wenn du jeden Tag 30 Wiederholungen bei Situps (Bauchübung) machst, irgendwann fast gar nichts mehr im Bauch spürst, so einfach ist das.

So gewöhnt sich auch dein Gehirn an den Effekt vom Alkohol, und so wird Alkoholsucht Krankheit, denn das Gehirn ist genauso Teil deines Körpers wie Herz, Lunge oder Bauchmuskeln. Jetzt sind zwei Dinge entscheidend:

Erstens brauchst du immer mehr Alkohol, um die gleiche Wirkung hervorzurufen. Genauso, wie du beim Hanteltraining irgendwann 6 kg statt nur 5 kg brauchst, dann 7 kg, usw. oder irgendwann 20 Min. laufen musst statt nur 15, dann 30 Minuten usw. D.h. du brauchst immer mehr von dem Gift Alkohol, um den gleichen Effekt zu bekommen. Trotzdem hast du ja Gift im Körper, das von der Leber mehr oder weniger gut abgebaut werden muss. Alkohol ist auch für die Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten mitverantwortlich – dies ist ein Aspekt, warum Alkoholsucht eine Krankheit darstellt.

Und andererseits – und jetzt kommt das Entscheidende für den Aspekt Alkoholsucht als Krankheit: Was glaubst du, passiert im Gehirn, wenn es keinen Alkohol mehr gibt und sich das Gehirn aber schon daran gewöhnt hat? Das Gehirn funktioniert jetzt nämlich nicht mehr so wie in den Zeiten VOR dem Alkohol. D.h., jetzt zieht es die Umkehrschlüsse: Vorher hat das Gehirn sich gesagt, ok, ab soundsoviel Gramm Alkohol geht es mir richtig gut, ich gebe dem Körper Entspannungssignale, ich schütte Glücksgefühle aus, ich lass das Herz mal langsamer schlagen, ich atme mal ein bisschen langsamer und tiefer, ich senke den Blutdruck…

Aber jetzt hat das Gehirn plötzlich Panik und macht wegen des Mangels an Alkohol genau das Gegenteil – und dies ist dann wieder ein Zeichen für Alkoholsucht als Krankheit:

Achtung, Puls beschleunigen, Anspannung, Stresshormone ausschütten, Hände zittern lassen, Blutdruck steigern, Schwitzen auslösen, Konzentrationsfähigkeit absenken => gib meinem Halter mal das Signal, dass ich jetzt dringend ein Gläschen oder noch besser zwei oder drei brauche, sonst verweigere ich den Dienst.

Und dann kommst du und gibst dem Gehirn das, wonach es „schreit“ und das Gehirn ist wieder „lieb“ zu dir und lässt dich wieder normal funktionieren. Obwohl dieses „normal“ jetzt nicht mehr normal ist, sondern viel zu viel. Das „weiß“ das Gehirn aber nicht. Das Gehirn gerät in Panik, wenn es nicht seinen Alkoholpegel bekommt – obwohl es OBJEKTIV gar keinen Grund zur Panik gibt. Deswegen muss man die Frage „Ist Alkoholsucht Krankheit?“ bejahen.

Jetzt hast du drei Möglichkeiten zu reagieren:

Erstens könntest du jetzt so weiter machen wie bisher. Also weitertrinken. Das Gehirn wird nach und nach immer mehr benötigen und irgendwann bist du tot, weil deine Leber und andere Organe das nicht mitmachen.

Entschuldige diesen krassen Gedankengang, aber so ist es nun mal. Eine traurige Begleiterscheinung der Alkoholsucht-Krankheit.

Zweitens könntest du jetzt radikal entscheiden: Ok, ich habe den Blödsinn verstanden, der da im Gehirn passiert, ab jetzt reduziere ich auf Null oder auf ein Glas am Tag – oder was auch immer du dir als Ziel setzt.

Das ist wirklich radikal. Damit „vergewaltigst“ du dein Gehirn und es wird dir zwei mögliche Reaktionen entgegenbringen: Höchstwahrscheinlich brutale Entzugserscheinungen, wie die eben erwähnten Angstzustände und Panik, Zittern, Schweißausbrüche, Herzrasen, stark steigender Blutdruck, Schmerzen, Schlaflosigkeit, Depression und vieles mögliche mehr.

Deswegen sollte so etwas auch nur unter ärztlicher Aufsicht passieren, denn hier kannst du wirklich in Lebensgefahr geraten – wieder eine Begleiterscheinung der Alkoholsucht-Krankheit. Aber alleine schaffst du das sowieso fast nie, denn das Gehirn ist viel cleverer als du und wird Wege finden, dich wieder zu „überzeugen“, Alkohol heranzuschaffen. Deswegen klappt so etwas ja auch im Normalfall nur, wenn du einen Entzug in einer Klinik machst.

Die andere Möglichkeit einer Reaktion deines Gehirns ist die, dass es so schnell wie möglich wieder versucht, auf das alte Niveau zu kommen. Wie beim Jojo-Effekt, den wir ja schon beschrieben haben. Das bedeutet, dass der nächste Rückfall sehr sehr wahrscheinlich ist und du danach wahrscheinlich noch mehr trinkst als vorher.

Oder die dritte Möglichkeit, die du hast – und das ist die Idee des Hilfe-bei-Sucht-Programms: Du fährst den Alkohol ganz langsam zurück. So langsam, dass das Gehirn das fast nicht merkt. Dein Gehirn ist natürlich nicht blöd, es wird schon ab und zu unangenehm für dich, einfach mal so ein paar Hundert Alkoholpunkte weniger pro Woche zu dir zu nehmen. Aber da musst du dann durch. Ein klein wenig Entzugserscheinungen wird es geben. Dies ist eine Begleiterscheinung der Alkoholsucht-Krankheit. Aber wenn du damit nicht umgehen kannst, dann solltest du das Programm auch wieder zur Seite legen.

Aber du kannst damit umgehen, denn du hast den Wunsch, deine Alkoholprobleme zu lösen. Du überlegst sogar, Geld dafür auszugeben. Du hast eine Menge positiver Energie in dir, und die wird dir helfen, deine Alkoholsucht-Krankheit zu kurieren. Jede Woche ein bisschen weniger, das Gehirn langsam daran gewöhnen. Immer wenn du die Symptome hast, die wir eben beschrieben haben, innere Unruhe, Unwohlsein, Angstgefühle, Stress etc., dann denke daran zurück, was im Gehirn passiert. Denke daran, dass das Gehirn dann gerade versucht, dich zu überlisten und dir etwas vormacht, was gar nicht den Tatsachen entspricht.

Du brauchst den Alkohol in dem Moment nicht wirklich. Es liegt dann an dir, ob du deinem Gehirn diesen Bluff zugestehst oder ihm zeigst, wer der Chef oder die Chefin im Haus ist.

Und du kannst natürlich gleichzeitig versuchen, mit dem Gehirn eine Art Friedensvertrag zu schließen, indem du ihm immer mehr Glücksgefühle aus anderen Dingen zuführst.

Darum geht es ja auch in einem großen Teil des Hilfe-bei-Sucht-Programms. Z.B. der Alkoholsucht-Krankheit wieder neue Lebensziele gegenüber zu setzen und das in viele neue Alltagsdinge zu übersetzen, Dinge, die dir Freude bereiten, die sinnvoll erscheinen, die Glückshormone fließen lassen. Und du sollst deine Probleme lösen – die, die du aktuell mit dem Alkohol verdrängst – sollst also weniger Glückshormone produzieren müssen, weil du auch weniger verdrängte Probleme hast. Auch darum geht es in einem großen Teil des Hilfe-bei-Sucht-Programms.

Andererseits sollst du aber auch die hemmende Wirkung vom Alkohol simulieren, also nachstellen. Z.B. durch Entspannungstechniken wie dem autogenen Training oder der progressiven Muskelentspannung. Beides ist in der HbS-Methode enthalten und beides soll auch dem Körper diese Ruhe und Gelassenheit geben, die du bisher nur mit dem Alkohol erzielt hast.

Weil das vorhin Geschriebene so wichtig war, lass es uns noch einmal in anderen Worten wiederholen und etwas ausbauen:

Es wurde vorhin sinngemäß gesagt: „Sei nicht zu ehrgeizig.“ Genau so ist es auch gemeint. Du hast so viele Jahre lang gelitten, jetzt kommt es auf ein paar Wochen mehr oder weniger auch nicht an. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Wenn du zu radikal vorgehst und zu schnell von deinem Alkoholkonsum bzw. deiner Alkoholsucht-Krankheit wegkommen willst, dann rächt sich das schon bald. Wenn das Gehirn nicht die Stufen durchmacht von 100% Alkoholkonsum zu 90% zu 80% etc., dann gehen bestimmte Lernprozesse verloren. Wenn du beim Autofahren vom 5. Gang abrupt in den 1. Gang schaltest, hast du eine gute Chance, dass sich dein Getriebe oder dein Motor verabschiedet.

Das Gehirn muss die Stufen heraus aus der Alkoholsucht-Krankheit Schritt für Schritt mitmachen. Es muss lernen, dass es auch mit 90% der vom Trinken ausgeschütteten Botenstoffe (Glückshormone und beruhigende Stoffe) leben kann. Vor allem, wenn es von anderer Seite neue Glückshormone und Beruhiger bekommt, so wie eben angedeutet. Dann 80%, dann 70% usw.

Wenn das Gehirn dies lernt und merkt, dass das funktioniert und gar nicht so ein radikaler Wandel ist wie es am Anfang geglaubt hat, dann sind die Chancen viel größer, dass es bei Rückfällen nicht wieder auf 100% hochschießt und alles wieder von vorne losgeht. Denn dann sind die Stufen dazwischen ja auch gelernt, und der Rückfall bringt dich z.B. von 40% auf nur 70%. Und Rückfälle werden kommen, da sei dir mal sicher! Das ist typisch für eine Alkoholsucht-Krankheit. Es ist auch gar nicht schlecht, sich gedanklich schon mal darüber im Klaren zu sein. Dann ist die Enttäuschung nicht ganz so groß. Aber auf Rückfälle werden wir im kompletten Hilfe-bei-Sucht-Programm noch intensiv zu sprechen kommen. Du bekommst auch alle Werkzeuge in die Hand, um damit konstruktiv umzugehen.

Wichtig ist hier auch der Gedanke, dass du Zeit brauchst, um alternative Quellen der Glückshormone zu entwickeln. Am Anfang schüttest du ja Botenstoffe aus, weil du enthusiastisch bist, dass du das Programm machst und kleine Erfolgserlebnisse hast. Aber das wird irgendwann nachlassen. Du wirst also lernen müssen – und wir begleiten dich dabei –, dieses Glück von woanders zu bekommen. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Das heißt, wenn du deine Alkoholsucht-Krankheit zu schnell reduzieren willst, dann hast du nicht genug ausgleichende Botenstoffe von anderen Dingen. Dann macht sich diese Spannung in dir breit, die dich zu einem schweren Rückfall bringt.

Also noch einmal: Es ehrt dich, wenn du jetzt mit ganz viel Schwung und Elan und einem Riesenehrgeiz an die Sache gehst. Aber lass dir Zeit. Es ist langfristig besser. Dein Körper kann deinem Willen nicht so schnell folgen.

Geh die Sache behutsam an und vertraue auf den Prozess und die Unterstützung, die das Hilfe-bei-Sucht-Programm dir bietet. Mit der richtigen Einstellung, Geduld und Ausdauer wirst du es schaffen, deine Alkoholsucht nachhaltig zu überwinden und ein gesünderes, zufriedeneres Leben zu führen. Glaube an dich!